Erzählt ein Lehrer seinen Schülern, dass er mit einem Funkamateur in Neuseeland gesprochen habe, dann muss er mit folgender Antwort rechnen: „Das kann ich auch, mit meinem Handy!“. Ist dies vergleichbar? Sicherlich nicht, denn Telefonieren ist eine kommerzielle Angelegenheit und somit kostenpflichtig! Und wer würde es nicht belästigend finden, wenn ihn ein unbekannter Anrufer am Telefon stören würde?
Die Faszination des Amateurfunks liegt in der Möglichkeit mit - zum Teil selbstgebauten oder modifizierten - Schaltungen und Geräten Kommunikation weltweit oder auch nur einige wenige Kilometer entfernt zu betreiben. Die Gesprächspartner kennen sich dabei in der Regel nicht, aber sie verstehen sich, evtl. sogar ohne Fremdsprachen dank eines international gebräuchlichen Kommunikationssystems: den Amateurfunkabkürzungen. Trotzdem ist Englisch die übliche Sprache, falls man nicht seine geringen Spanischkenntnisse aus dem Urlaub oder die etwas fundierteren aus dem Volkshochschulkurs ausprobieren möchte: Funkamateure sind geduldige Menschen und freuen sich über solche Gesprächskontakte.
Doch beim Amateurfunk steht die Kommunikation nicht im Vordergrund, sondern das Experimentelle, denn Amateurfunk ist experimentelle Telekommunikation! Gleichzeitig ist der Amateurfunk der einzige Funkdienst, bei dem Experimente erlaubt sind. Die mögliche Palette eigener Experimente ist riesig und das bei oftmals geringem finanziellen Einsatz, zumal zunehmend der PC mit seiner Soundcard und für Funkamateure i.d.R. kostenlos angebotener Software eingesetzt wird.
Während der Bundeskongresse im März eines jeden Jahres – im März 2015 findet die 30. Veranstaltung mit über 100 Teilnehmern statt - werden einige preisgünstige, überaus lehrreiche Schaltungen und Module aufgebaut sowie Vorträge gehalten werden, um den Selbstbau und die Experimentierfreude im Amateurfunk zu fördern. Die entsprechenden Beschreibungen befinden sich in den Praxisheften, von denen es mittlerweile 24 Ausgaben mit jeweils über 100 Seiten gibt – eine Fundgrube neuer Elektronikschaltungen für den Selbstbau!
Beispiele aus vorangegangenen Seminaren:
• Kommunikation über Licht – Experimente sowie Bau von Sendern und Empfängern
• Amateurfunknutzlasten an Wetterballonen mit Sensoren, GPS und Funktechnik
• Bau und Experimente mit einem Geigerzähler
• Bau kleiner Amateurfunk-Empfänger und -Sender sowie Antennen
• Mikrocontroller-Anwendungen im Amateurfunkdienst.
Die AATiS-Projekte: WxNET- (Telematik-Projekt), Amateurfunknutzlasten an Ballonen und in Treibbojen, Schul-Satellit und weitere bieten eine Fülle experimenteller Beteiligungsmöglichkeiten und Anregungen für Facharbeiten, die bundesweiten Wettbewerbe „Jugend forscht“ und „Schüler experimentieren“ und darüber hinaus regionale Schüleraktivitäten einen guten Einstieg in den Amateurfunk. AATiS unterstützt Lehrer aller Schulformen bei schulischen Arbeitsgemeinschaften, in Projektwochen, beim Tag der offenen Tür und weiteren schulischen Aktivitäten!
Besonders beliebt sind die Elektronik-Effektschaltungen (Blinken, Piepsen, …) und Taschenlampen zum Selberbauen, da diese Elektronikbausätze nicht nur besonders preiswert sind, sondern für den Einstieg in die Elektronik geschaffen wurden. Schüler mit etwas Löterfahrung können sich z.B. eine Digitaluhr bauen. Beschreibungen im Rundschreiben!
Aber Amateurfunk ist mehr: Die Fortschritte im Bereich von Lasermodulen, insbesondere aber lichtstarke Leuchtdioden als kostengünstige Massenware, führen zu Bauanleitungen, mit denen sich viele Kilometer Distanz überbrücken lassen, nicht per Funk, sondern per Lichtwelle. Hier lohnen sich der Selbstbau und Experimente auf jeden Fall!
Dank neuester Software – zur freien Nutzung im Amateurfunkbereich - sind weltweite faszinierende Funkverbindungen auf den Bändern ab 144 MHz möglich: Der Mond dient dabei als Reflektor und die extrem schwachen EME-Signale lassen sich per Soundcard dekodieren.
Ein faszinierendes Betätigungsfeld im Bereich des Selbstbaus sind Experimente mit Sendern, mit denen mittels kleinster Sendeleistungen - maximal ein Watt – weltweite Funkverbindungen hergestellt werden. Parallel dazu gibt es Entwicklungen bei Antennen: Wie kompakt kann eine Kurzwellenantenne bei einem noch ausreichenden Wirkungsgrad sein?
Kaum anders als durch die experimentelle Telekommunikation lassen sich moderne Massenprodukte und -anwendungen wie das Mobiltelefon, Navigation durch GPS, Flottenmanagement für Speditionen und Hilfsfahrzeuge, Satellitenfernsehen und Wettersatelliten, das Internet, digitaler Rundfunk u.a.m. analysieren und dem technischen Nachwuchs erklären? Für alle diese kommerziellen Anwendungen gibt es experimentelle Zugänge und Erklärungsmodelle mit Hilfe des Amateurfunks. Die MINT-Fächer (= Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) profitieren davon.
Wer den Amateurfunkdienst als antiquiert bezeichnet, zeigt seine Inkompetenz!
Wolfgang Lipps, DL4OAD